Großeltern-Generation

Neben den Großeltern werden hier gleichzeitig alle Personen, die in diese Generation gehören, also Großtanten, Großonkeln, Ruftanten und Rufonkeln, die Teil des sozialen Umfelds waren, beschrieben.

Meine Großeleltern mütterlicherseits waren die Kvaček, väterlicherseits die Fiala.

Während ich von den Eltern meiner Mutter, den Kvaček, viel weiß, sind die Erinnerungen an die Eltern meines Vaters, die Fiala, ziemlich verschwommen und wurden erst im Nachhinein aus Erzählungen rekonstruiert.

Dass es bei den Fiala Großeltern Geschwister gegeben hätte, ist mir nicht bekannt.

Meine Großmutter Julie Kvaček, 1887-1967 (80), Lebensmittelhändlerin hatte folgende Geschwister

  • Jan/Johann Pohan, 1875-1910 (35), Lebensmittelhändler in der Absberggasse;
  • Anna Tůma, ?-1955, Schneidermeistersgattin in der Simmeringer Hauptstaße 152;
  • Maria Peksa, 1881-1932 (51), Lebensmittelhändlersgattin in der Hauffgasse 12;
  • Ludmilla Tušl, 1882-1944 (62),  Schneidermeistersgattin in Simmering.
  • Božena Klíma, 1891-1929 (37), Beamter, anfangs in Linz?;

Jan/Johann ist am Zentralfriedhof, alle anderen am Simmeringer Friedhof begraben.

Mein Großvater Franz Kvaček hatte zwei Geschwister:

  • Josef Kvaček, der offenbar einen kleinen Bauernhof (in Šlapanice ?) übernahm und
  • Schwester Hromádka (Vorname unbekannt) angenommen hat. Sie wohnte in Šlapanice bei Brünn und ist wahrscheinlich nie nach Wien gekommen.

Johanna und Ludwig Hirmann waren enge Freunde der Kvaček und gehörten zur Familie. 

Johanna Hirmann (geb. Vogeltanz) arbeitete in den 30er Jahren bei meiner Großmutter im Lebensmittelgeschäft. Nach dem Krieg bestand ihr Mann Ludwig darauf, dass sie wieder in ihrem erlernten Beruf als Stepperin arbeiten sollte. Die Hirmann wohnten in der Lorystraße 17, zuerst auf Tür 24 (Zimmer, Küche), später auf Tür 10 (Zimmer, Küche Kabinett).

Antonie Urbanek war die Tochter einer befreundeten tschechischen Familie und sie war Mitarbeiterin im Geschäft der Großmutter Julie. Gleichzeitig war sie wie eine ältere Schwester zu meiner Mutter. Ich selbst habe „Tante Toni“ erst in einem Alter von etwa 13 Jahren kennen gelernt, und da war Tante Toni schon in Pension (früher hätte sie auch mangels Verwandtschaftsverhältnis nicht aus der CSSR ausreisen dürfen) und wusste damals nichts über diese Zusammenhänge. Erst durch Erzählungen von Tante Hanni und Tante Milli kann ich diese früheren Beziehungen hier festhalten. Als sie dann für viele Monate bei uns wohnte, merkte ich wie innig die Beziehung zu meiner Mutter gewesen sein muss und immer noch war. Sie war überaus fürsorglich und sehr besorgt über den Gesundheitszustand meiner Mutter.

Familie Hrdlička war etwas älter und war bereits mit meiner Großmutter befreundet. Herr Hrdlička war leitender Angestellter bei Kolkoks. Sie wohnten in der Rinnböckstraße in einem Gemeindebau. Wann immer ich diese überaus netten und freundlichen Menschen gesehen habe (meist besuchten sie meine Großmutter und meine Eltern) gab es ein Geldgeschenk für mich. Im Tschechischen ist er möglich, alltägliche Sachen nett, netter und ganz besonders freundlich auszudrücken. Für Kinder hängt man dann Verkleinerungsformen an die Wörter an, die man auch noch wiederholen kann, um die Sache für das Kind begreifbar zu machen. So waren sie, die Hrdlička.

Familie Patloch sah ich nur selten aber doch auch regelmäßig. Erst viel später habe ich mir zusammengereimt, wer diese Gäste waren. Es waren die Vormieter der Wohnung, in der meine Großmutter wohnte. Herr Patloch war wie meine Eltern Wiener Tscheche und Schuldirektor der tschechischen Schule in der Brehmstraße in Simmering, die auch meine Mutter besuchte. Mit dem Hitlereinmarsch wurden die tschechischen Lehrer entlassen und die Schulen zwangseingedeutscht. Herr Patloch musste auf Weisung der NSDAP in die Billrothstraße übersiedeln und meine Großmutter musste auf behördliche Anordnung in diese Wohnung einziehen. 

An eine Szene mit den Patloch kann ich mich erinnern, weil sie doch ein bisschen an Abenteuer erinnert. Die Patloch, und viele andere Verwandte waren – wie üblich – an einem Sonntag in unserem Garten in Kritzendorf. Um meine Großmutter nicht mit dem Kochen zu überlasten, machten die gehfähigen, jüngeren einen Ausflug zum Silbersee an der Donau. Man ging die zwei Kilometer bergab bis zum Bahnhof, fuhr dann eine Station mit der Franz-Josefs-Bahn nach Höflein und ging dann zum Silbersee, einem Grundwassersee neben der Donau. Man badete im See, oft auch in der Donau und dann ging’s ins „Wirtshaus am Silbersee“ zum Mittagessen. Als Heimweg bietet sich ein Wanderweg über die Paulakapelle an, aber unsere Gruppe beschloss, einen „Abschneider“ zu nehmen und direkt den Berg hinauf zu gehen. Anfangs schaute das auch ganz gut aus, endete aber in Steinbrüchen – wenn man sich nicht auskennt. Es musste dann schon einer dem anderen die Hand reichen, damit niemand abrutscht. Und die Worte von Herrn Patloch „ich übernehme die Verantwortung“ haben mich sehr beeindruckt, denn ich weiß offenbar noch, dass es deutsch gesagt wurde und ich wusste damals nicht, was es bedeutet. Darum habe ich mir das so gut gemerkt. Die Frage ist, warum er das auf Deutsch gesagt hat, wo es sich doch um eine tschechische Gesellschaft gehandelt hat. Ich vermute, dass auch mein Onkel Tůma mit von der Partie war und dessen Frau Hertha sprach nicht Tschechisch und daher wurden wichtige Dinge sicherheitshalber auf Deutsch verlautbart.