Von den vier Familien, die meine Urgroßelterngeneration bilden, sind die Pohan und Kvaček am markantesten. Mit den anderen Familien bestand nie engerer Kontakt, sodass über deren weiteres Schicksal nichts bekannt ist.
Ich selbst bin daher ein „Pohan“, denn diese Urgoßeltern–Familie prägte mein ganzes Leben, mit Beteiligungen der Kvaček und der Fiala. Den geringsten Anteil hatten die Valenta, der Kontakt zu meiner Großmutter väterlicherseits war praktisch nicht gegeben.
Pohan
Die Pohan hatten 6 Kinder, 5 Mädchen und einen Buben und alle sind aus Mähren nach Wien ausgewandert. Der Grund war ein tödlicher Arbeitsunfall des Urgroßvaters (ca. 1891), und plötzlich war die Familie auf sich allein gestellt.
Aber wie Schwerstern eben sind, sie haben nicht nur alle im selben Wiener Bezirk, in Simmering, gewohnt, auch dort geheiratet und waren in engem Kontakt. Daraus resultieren auch viele Erinnerungen an diese Großonkeln und Großtanten. Da alle Familienmitglieder ausgewandert sind, zuletzt die Urgroßmutter, besteht keine Verbindung mehr zu der Gegend aus der sie um 1900 nach Wien ausgezogen sind.
Die Schwestern bildeten in Simmering so etwas wie eine Clique. Man half sich aus und die Familie war ein weiterer Begriff als man das heute versteht. Diese Nähe der Schwestern zueinander wirkte sich bis in meine Jugend aus, denn eine Cousine meiner Mutter, meine „Tante Milly“ begleitete mein Leben fast so wie meine Eltern. Sie wohnte im selben Haus, zwei Stockwerke über uns. Später habe ich erst – und nur durch einen Zufall – erfahren, woher diese große Nähe kam.
Kvaček
Die Kvaček hatten drei Kinder: Franz, Josef und ?? (Hromadka). Während der jüngere Josef und die Schwester in Mähren blieben, lockte den Schlossergehilfen Franz, meinen Großvater, die Großstadt Wien. Ob es auch andere, vielleicht ökonomische Gründe gab, ist nicht bekannt. Zu diesen väterlichen Verwandten fuhr meine Mutter schon in der Zwischenkriegszeit und dann nach dem Krieg immer wieder. Ich selbst war nur ein einziges Mal in dem kleinen Dorf Šlapanice bei Brünn in Mähren. Der eiserne Vorhang bildete eine Barriere zwischen den Familien. Der Bruder Josef Kvaček heiratete, aber seine Frau starb und er heiratete ein zweites Mal. Diese zweite Frau, ich nannte sie „Teta Línek“ (gemeint war „Tante vom Land“), wohnte in den 1960er Jahren oft monatelang bei uns in Wien. Josef Kvaček war verstorben, sie war Pensionistin und durfte daher ausreisen. Sie half meiner Mutter im Geschäft und im Haushalt. Die Schwester heiratete einen Hromádka („Häuflein“). Eine Familie mit diesem Namen lebt heute noch in Šlapanice.
Insgesamt aber bestand zur Familie Kvaček weniger Kontakt, lebten doch alle Geschwister in Mähren.
Betrachtet man die Kinderzahl der Pohan und Kvaček, dann zählt man fast 5 Kinder pro Familie (bei den Fiala und Valenta weiß man es nicht). Die Großelterngeneration kann nur mehr auf ein bis zwei Kinder verweisen.
Geheiratet wurde in der Großelterngeneration, die alle bereits in Wien gelebt haben, ausschließlich in der tschechischen Gesellschaft. Das kann man durchaus mit den heutigen Türken vergleichen. Aber auch noch die Elterngeneration der Pohan-Familie heiratete überwiegend in der tschechischen Minderheit aber die Assimilation ist hier schon deutlich. Von meiner Generation bin ich der einzige, der noch Tschechisch spricht, weil ich das Glück hatte, die tschechische Volksschule am Sebastianplatz zu besuchen.